Der Verband der Automobilindustrie (VDA) schlägt überraschend vor, Plug-in-Hybride (PHEV) so zu gestalten, dass ein regelmäßiges Laden der Batterie zur Pflicht wird. Dieser Vorstoß kommt, nachdem Studien gezeigt haben, dass PHEV im Realbetrieb deutlich höhere CO₂-Emissionen aufweisen als ursprünglich angenommen. Die Branche reagiert damit auf wachsende Kritik und drohende strengere EU-Vorschriften.
Wichtige Erkenntnisse
- Plug-in-Hybride emittieren real bis zu fünfmal mehr CO₂ als homologiert.
- Der VDA schlägt eine technische Ladepflicht vor, um die elektrische Nutzung zu erhöhen.
- Die EU plant ab 2025 und 2026 strengere Regeln für PHEV-Emissionen.
- PHEV sind für Autohersteller aktuell eine wichtige Einnahmequelle.
Realemissionen von Plug-in-Hybriden weit über Erwartung
Aktuelle Erhebungen belegen, dass Plug-in-Hybride (PHEV) im Alltag wesentlich mehr Kohlendioxid ausstoßen, als in den offiziellen Prüfstandswerten angegeben. Eine Studie der Nichtregierungsorganisation „Transport and Environment“ (T&E) und der Europäischen Umweltagentur (EEA) zeigt, dass diese Fahrzeuge rund die fünffache Menge an CO₂ emittieren, mit der sie ursprünglich zugelassen wurden. Dies stellt eine erhebliche Diskrepanz dar, die weit über die geringen Abweichungen bei reinen Verbrennungsmotoren hinausgeht.
Die Daten basieren auf realen Fahrdaten von 127.000 Autos, eine Stichprobe von beispielloser Größe. Diese umfassende Analyse liefert fundierte Beweise dafür, dass die Umweltauswirkungen von PHEV bisher stark unterschätzt wurden. Das Problem des selten genutzten Ladekabels im Kofferraum ist somit keine bloße Anekdote mehr, sondern ein belegbares Faktum mit weitreichenden Konsequenzen für die Klimaziele.
Faktencheck
- Fünffache Emissionen: PHEV stoßen im Realbetrieb etwa fünfmal mehr CO₂ aus als auf dem Prüfstand ermittelt.
- Datenbasis: Die Analyse stützt sich auf reale Fahrdaten von 127.000 Fahrzeugen.
- Vergleich: Reine Verbrenner weichen im Realbetrieb nur um wenige Prozent von den Prüfstandswerten ab.
VDA schlägt technische Ladepflicht vor
Angesichts dieser alarmierenden Zahlen und der drohenden politischen Konsequenzen reagiert der VDA mit einem konkreten Vorschlag. Der Verband fordert, PHEV so zu konstruieren, dass ein regelmäßiges Laden verpflichtend wird. Dies könnte beispielsweise durch eine verminderte Leistungsabgabe des Fahrzeugs erreicht werden, falls die Batterie nicht innerhalb einer noch festzulegenden Fahrstrecke mindestens einmal aufgeladen wurde.
Dieser Ansatz zielt darauf ab, die Fahrer aktiv dazu zu bewegen, die elektrische Komponente ihrer Plug-in-Hybride stärker zu nutzen und somit die tatsächlichen Emissionen im Alltag zu senken. Der VDA möchte damit die Umweltvorteile von PHEV, die in der Vergangenheit oft nur auf dem Papier existierten, auch im realen Straßenverkehr verwirklichen.
"Wir müssen technische Lösungen finden, die Fahrer dazu bringen, weitere Strecken elektrisch zurückzulegen und so die tatsächlichen Emissionen zu reduzieren."
EU verschärft Regeln für Plug-in-Hybride
Die Europäische Union hat die Problematik der PHEV-Emissionen bereits erkannt und entsprechende Maßnahmen in die Wege geleitet. Schon seit Längerem galt es in der EU als Tatsache, dass die CO₂-Minderung von PHEV zu optimistisch bewertet wurde. Die Termine für eine Verschärfung der Regeln sind daher bereits festgesetzt.
Ab dem kommenden Jahr soll der sogenannte Utility Factor, eine Bemessungsgrundlage für die Berechnung der CO₂-Flottenemissionen, deutlich verschärft werden. Dies bedeutet, dass die elektrische Reichweite für die CO₂-Einstufung in zwei Stufen erheblich ansteigen muss. Ab Anfang 2026 müssen Neufahrzeuge eine rund zwei- bis dreifache elektrische Reichweite aufweisen, und ab 2027 sogar das Vierfache des heutigen Werts.
Hintergrund: Utility Factor
Der Utility Factor (Nutzungsfaktor) gibt an, welcher Anteil der Fahrtstrecke eines Plug-in-Hybriden im elektrischen Modus zurückgelegt wird. Eine höhere elektrische Reichweite und häufigeres Laden führen zu einem besseren Utility Factor und damit zu niedrigeren offiziellen CO₂-Emissionswerten.
Drohende Kosten und Strafen für Hersteller
Für die Autohersteller sind diese geplanten Verschärfungen mit erheblichen Risiken verbunden. Die Aussicht, dass der bisher nur auf dem Prüfstand ermittelte CO₂-Ausstoß durch eine realistischere Einstufung ersetzt wird, könnte den mühsam erreichten Flottenverbrauch außer Reichweite geraten lassen. Dies hätte deutlich höhere Kosten für die Erreichung der schärferen Klimaziele zur Folge und könnte im Falle einer Verfehlung zu milliardenteuren Strafen führen.
Bislang galten Plug-in-Hybride als eine Art "Hintertür" für die Autoindustrie, um weiterhin eine große Menge an Verbrennungsantrieben verkaufen zu können, während gleichzeitig die Flottenemissionsziele auf dem Papier eingehalten wurden. Diese Strategie scheint nun an ihre Grenzen zu stoßen.
PHEV als "Cashcow" der Autoindustrie
Trotz der Kritik an ihren realen Emissionen sind Plug-in-Hybride für die Autoindustrie derzeit äußerst attraktiv. Sie stellen eine wichtige Einnahmequelle dar, insbesondere in Zeiten, in denen die Antriebswende die Branche vor große Herausforderungen stellt. Der Erfolg der PHEV ist dabei weniger auf technische Vorteile gegenüber reinen Elektroautos zurückzuführen, sondern vielmehr auf gezielte Anreize und Förderungen.
In Deutschland werden beispielsweise dienstlich genutzte PHEV mit bestimmten Leistungsmerkmalen bis zu einer Preisgrenze sogar steuerlich gefördert. Dies hat zu einem deutlichen Anstieg der Neuzulassungszahlen geführt. Von Januar bis September stiegen die Neuzulassungen von PHEV in Deutschland um 64 Prozent. Europaweit verzeichneten sie im August einen Zuwachs von über 54 Prozent im Jahresvergleich. Im Gegensatz dazu mussten Autos mit reinen Verbrennungsmotoren deutschland- und EU-weit zweistellige Einbußen hinnehmen.
- Deutschland: +64% Neuzulassungen PHEV (Jan-Sep)
- Europa: +54% Neuzulassungen PHEV (Aug im Jahresvergleich)
- Verbrenner: Zweistellige Einbußen in Deutschland und EU
Diese Zahlen verdeutlichen die wirtschaftliche Bedeutung von Plug-in-Hybriden für die Hersteller. Die vorgeschlagene Ladepflicht des VDA und die kommenden EU-Vorschriften könnten jedoch das Geschäftsmodell rund um PHEV grundlegend verändern und die Branche zu weiteren Innovationen zwingen, um die tatsächlichen Umweltziele zu erreichen.





