Folat ist ein essenzielles B-Vitamin, das eine zentrale Rolle bei der Zellteilung und vielen Wachstums- und Entwicklungsprozessen im menschlichen Körper spielt. Die synthetische Form dieses Vitamins ist als Folsäure bekannt. In Deutschland erreichen viele Menschen nicht die empfohlene tägliche Zufuhr von Folat. Besonders kritisch ist eine Unterversorgung zu Beginn einer Schwangerschaft, da dies schwerwiegende Folgen für die Entwicklung des Fötus haben kann. Eine frühzeitige und ausreichende Versorgung ist daher entscheidend.
Wichtige Erkenntnisse
- Folat ist ein wasserlösliches B-Vitamin, Folsäure seine synthetische Form.
- Viele Deutsche erreichen die empfohlene Folat-Zufuhr von 300 µg pro Tag nicht.
- Besonders Frauen mit Kinderwunsch und Schwangere benötigen eine erhöhte Folsäure-Zufuhr.
- Nahrungsergänzungsmittel mit Folsäure sind in der Schwangerschaft oft notwendig.
- Eine Überdosierung von Folsäure kann Risiken bergen, wie das Verdecken eines Vitamin B12-Mangels.
Folat und Folsäure: Ein wichtiger Unterschied
Der Begriff Folat bezeichnet eine Gruppe von wasserlöslichen B-Vitaminen, die in verschiedenen Verbindungen natürlich in Lebensmitteln vorkommen. Diese Folat-Verbindungen sind an zahlreichen Wachstums- und Entwicklungsvorgängen im Körper beteiligt. Die synthetisch hergestellte Form dieses Vitamins wird üblicherweise als Folsäure bezeichnet. Eine neuere Form ist Calcium-L-Methylfolat, das ebenfalls aus synthetischer Folsäure gewonnen wird.
Folsäure ist im Vergleich zu natürlichem Nahrungsfolat stabiler gegenüber Hitze, Sauerstoff und Licht. Aus diesem Grund wird Folsäure industriell Lebensmitteln zugesetzt. Der Körper kann Folsäure zudem besser verwerten als Folat aus der Nahrung. Um die verschiedenen Verbindungen vergleichbar zu machen, werden sogenannte "Folsäure-Äquivalente" verwendet, angegeben in Mikrogramm (µg).
Umrechnung von Folsäure-Äquivalenten
- 1 µg Folat-Äquivalent = 1 µg Nahrungsfolat
- 1 µg Folat-Äquivalent = 0,5 µg synthetische Folsäure (auf nüchternen Magen)
- 1 µg Folat-Äquivalent = 0,6 µg Folsäure (in Kombination mit anderen Lebensmitteln)
Bedarf und Versorgung in Deutschland
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt Erwachsenen eine tägliche Zufuhr von 300 µg Folat-Äquivalenten. Aktuelle Studien zeigen, dass etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung diese Empfehlung nicht erreicht. Dennoch bedeutet dies nicht zwangsläufig einen klinischen Mangel. Tatsächlich sind laut Blutwerten etwa 86 % der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland gut mit Folat versorgt.
Werbung für Folsäure-Produkte suggeriert oft einen weit verbreiteten Mangel. Ein echter, klinisch relevanter Folat-Mangel ist in Deutschland jedoch selten nachweisbar. Um einer Unterversorgung vorzubeugen, ist eine ausgewogene Ernährung mit folatreichen Lebensmitteln wie Gemüse und Vollkornprodukten wichtig.
"Folat ist für jede Körperzelle unentbehrlich, von der Muskel- bis zur Nervenzelle. Besonders in Phasen schnellen Wachstums sorgt es für Zellteilung und -wachstum."
Folsäure-Produkte: Wann sind sie sinnvoll?
Abgesehen von der Schwangerschaft sind zusätzliche Folsäure-Produkte für die meisten gesunden Erwachsenen in der Regel nicht notwendig. Viele Produkte werben mit gesundheitsbezogenen Aussagen wie "trägt zu einer normalen Blutbildung bei" oder "hat eine Funktion bei der Zellteilung". Diese Aussagen sind zwar korrekt, doch folatreiche Lebensmittel leisten dies ebenso. Es geht dabei lediglich um die Aufrechterhaltung normaler Körperfunktionen, nicht um die Behandlung von Krankheiten. Letzteres ist die Aufgabe von Arzneimitteln, die strengen Zulassungsverfahren unterliegen.
Folat und Zellfunktion
Folat ist entscheidend für den Aufbau von Nukleinsäuren, den Bausteinen der Zell-Informationsspeicher. Es spielt eine Schlüsselrolle bei der DNA-Synthese und somit bei der Zellteilung. Ein chronischer Mangel kann zu Störungen der Blutkörperchenbildung (Anämie) und Problemen im Verdauungstrakt führen.
Sichere Einnahme von Folsäure-Präparaten
Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehör (EFSA) hat im November 2023 den sogenannten Tolerable Upper Intake Level für synthetische Folsäure bestätigt: Erwachsene sollten nicht mehr als 1 mg pro Tag aus angereicherten Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln aufnehmen. Eine dauerhafte Überschreitung dieses Wertes kann das Risiko unerwünschter gesundheitlicher Wirkungen erhöhen.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt, über Nahrungsergänzungsmittel nicht mehr als 200 µg Folsäure täglich aufzunehmen für Personen ab 15 Jahren. Hochdosierte Folsäuretabletten sollten nur nach ärztlicher Rücksprache eingenommen werden. Bei den neuartigen Verbindungen Calcium-L-Methylfolat und 5-MTHF sind entsprechende Umrechnungen zu beachten.
Eine Überversorgung mit Folsäure kann problematisch sein, da sie Symptome eines Vitamin B12-Mangels überdecken kann. Besonders bei älteren Menschen besteht die Gefahr, dass eine durch Vitamin B12-Mangel verursachte Anämie behoben wird, während die oft irreversiblen Nervenschädigungen unentdeckt bleiben.
- Zugelassene Folsäure-Verbindungen in der EU:
- Pteroylmonoglutaminsäure
- Calcium-L-methylfolat (neuartig)
- (6S)-5-Methyltetrahydrofolsäure (5-MTHF), Glucosaminsalz (neuartig)
Folat und Schwangerschaft: Eine besondere Rolle
Eine ausreichende Folatversorgung ist besonders wichtig für Frauen mit Kinderwunsch und während der Schwangerschaft. Eine Unterversorgung kann zu schweren Schäden und Fehlbildungen beim Fötus führen, insbesondere Neuralrohrdefekten (NRD). Das Neuralrohr schließt sich bereits um die vierte Schwangerschaftswoche, oft bevor eine Frau überhaupt weiß, dass sie schwanger ist.
Daher empfiehlt das BfR Frauen mit Kinderwunsch und bis zum Ende der 12. Schwangerschaftswoche die Einnahme von 400 µg Folsäure pro Tag als Nahrungsergänzungsmittel. Dies sollte idealerweise vier Wochen vor der geplanten Empfängnis beginnen. Schwangere und Stillende haben einen erhöhten Folatbedarf von 550 µg bzw. 450 µg, der über die normale Ernährung kaum zu decken ist.
Für Frauen, die ungeplant schwanger werden und keinen ausreichenden Folatspiegel aufbauen konnten, empfiehlt das Netzwerk "Gesund ins Leben" sogar 800 µg Folsäure täglich als Nahrungsergänzungsmittel. In den ersten Schwangerschaftsmonaten kann eine Kombination mit Jod sinnvoll sein. Es ist jedoch Vorsicht geboten, da viele andere Nährstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln für Schwangere oft zu hoch dosiert sind.
Ökotest-Ergebnisse zu Folsäure-Präparaten
Aktuelle Tests von Ökotest zeigten, dass nur 8 von 22 untersuchten Folsäure-Präparaten für Schwangere die Bewertung "gut" erhielten. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, Produkte sorgfältig auszuwählen und sich gegebenenfalls beraten zu lassen.
Folatbedarf über die Nahrung decken
Bei gesunden, nicht schwangeren Personen kann der Tagesbedarf an Folat durch eine ausgewogene Ernährung gedeckt werden. Folat ist sowohl in tierischen als auch in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Folat wasserlöslich und sehr hitzeempfindlich ist. Eine schonende Zubereitung, wie Dünsten, und kurzes Warmhalten von folatreichem Obst und Gemüse sind daher ratsam.
Gute Folatquellen sind unter anderem:
- Blattgemüse (Spinat, Salat)
- Hülsenfrüchte
- Nüsse und Sprossen
- Orangen und Orangensaft
- Vollkornprodukte
- Kartoffeln
- Tomaten
- Leber
- Eier
Neben dem natürlichen Vorkommen wird Folsäure auch einigen Lebensmitteln industriell zugesetzt, beispielsweise Speisesalz. Angereichertes Speisesalz enthält in der Regel 100 Mikrogramm Folsäure pro Gramm. Eine unkontrollierte Zufuhr vieler angereicherter Produkte kann problematisch sein. Ein bis zwei Gramm angereichertes Salz täglich kann jedoch eine sinnvolle zusätzliche Möglichkeit sein, Folsäure aufzunehmen.
Die Empfehlung lautet, täglich fünf Portionen (eine Portion = eine Handvoll) Gemüse und Obst zu sich zu nehmen, um den Folatbedarf zu decken. Für Frauen mit Kinderwunsch ist jedoch die zusätzliche Einnahme von Folsäure-Tabletten (400 µg pro Tag) mindestens vier Wochen vor einer Schwangerschaft unerlässlich, um das Risiko von Neuralrohrdefekten zu minimieren.