In Hannover erprobt der Energieversorger enercity ein zukunftsweisendes Konzept für das Laden von Elektroautos. Elf Schnellladesäulen bieten dort dynamische Stromtarife an, die sich stündlich ändern. Dieses Pilotprojekt, bekannt als FlexLaden, ermöglicht es Fahrern, günstigere Preise zu nutzen, wenn das Stromnetz weniger belastet ist und mehr erneuerbare Energien zur Verfügung stehen. Das Besondere: Bezahlen funktioniert spontan per Kreditkarte oder Smartphone, ohne festen Vertrag.
Wichtige Erkenntnisse
- Enercity bietet an elf Standorten in Hannover dynamische Stromtarife für E-Autos an.
- Die Tarife ändern sich stündlich und sollen die Nachfrage dem Angebot anpassen.
- Laden ist ohne Vertrag per Ad-hoc-Zahlung mit Kreditkarte oder Smartphone möglich.
- Die Schnellladesäulen liefern bis zu 150 kW Leistung.
- Ziel ist eine effizientere Nutzung des Stromnetzes und der Ladeinfrastruktur.
Einzigartiges Pilotprojekt in der Praxis
Das Projekt in Hannover verbindet mehrere innovative Ansätze. Es kombiniert schnelles Gleichstromladen mit variablen Tarifen und unkompliziertem Ad-hoc-Zahlen. Dadurch soll das öffentliche Laden attraktiver und flexibler werden.
Die elf Ladesäulen sind strategisch in der niedersächsischen Landeshauptstadt verteilt. Sie sind als Gleichstrom-Schnellladesäulen ausgelegt und bieten eine Leistung von bis zu 150 kW. Diese hohe Ladeleistung ist entscheidend, um die Ladezeiten kurz zu halten und die Verfügbarkeit der Ladeplätze zu maximieren. Im Praxistest zeigte sich, dass ein Xpeng G6 mit 78 Prozent Ladestand sofort 149 kW Leistung aufnehmen konnte.
Faktencheck
- 62,5 Prozent: Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion im bisherigen Jahresverlauf (Fraunhofer ISE).
- 150 kW: Maximale Ladeleistung der eingesetzten DC-Schnellladesäulen.
- 80 Euro: Vorautorisierungsbetrag für Kreditkartenzahlungen, abgerechnet wird nur der tatsächliche Verbrauch.
Netzdienliches Laden und Kostenvorteile
Dynamische Stromtarife sind mehr als nur eine Preisstrategie. Sie fördern das sogenannte netzdienliche Laden. Die Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen wie Sonne und Wind schwankt stark. Gleichzeitig ist auch die Nachfrage nach Strom volatil. Indem niedrige Preise zu Zeiten hoher Stromverfügbarkeit und geringer Netzauslastung angeboten werden, lenkt man die Nachfrage dorthin, wo das Angebot am größten ist.
Dies schafft eine Win-Win-Situation: Elektroautofahrer profitieren von günstigeren Preisen. Das Stromnetz wird entlastet und effizienter genutzt. Besonders relevant ist dies, da der Anteil erneuerbarer Energien im Jahr 2025 voraussichtlich über 62 Prozent liegen wird. Ihre schwankende Produktion erfordert flexible Lösungen für den Verbrauch.
„Die Nachfrage wird zum Angebot gelockt. So entsteht potenziell eine Win-Win-Situation für Fahrer und Netzbetreiber“, erklärt ein Experte des Projekts.
Einfaches Bezahlen ohne Vertrag
Ein zentrales Merkmal des FlexLaden-Projekts ist die Möglichkeit des Ad-hoc-Ladens. Kunden benötigen keinen Vertrag oder eine spezielle Registrierung. Die Bezahlung erfolgt direkt an der Säule per Kreditkarte oder Smartphone. Hierfür arbeitet enercity mit dem Software-Spezialisten ev pay zusammen, der die eichrechtskonforme Abrechnung und die Bezahlsysteme bereitstellt.
Diese unkomplizierte Zahlungsoption senkt die Hemmschwelle für viele Fahrer. Aktuell erfolgen laut Nationaler Leitstelle Ladeinfrastruktur über 95 Prozent der öffentlichen Ladevorgänge über Verträge. Ad-hoc-Zahlungen spielen bisher eine untergeordnete Rolle. Das enercity-Projekt könnte dies ändern und eine breitere Akzeptanz fördern.
Hintergrundinformationen
Seit dem 1. Januar müssen Energieversorger in Deutschland dynamische Stromtarife anbieten. Diese Tarife spiegeln die aktuellen Marktpreise wider und können je nach Tageszeit variieren. Ziel ist es, den Stromverbrauch zu flexibilisieren und an die schwankende Verfügbarkeit erneuerbarer Energien anzupassen. Die Integration solcher Tarife in die öffentliche Ladeinfrastruktur ist ein wichtiger Schritt zur weiteren Elektrifizierung des Verkehrs.
Herausforderungen und Potenzial im Markt
Obwohl das Prinzip des dynamischen Ladens viel Potenzial birgt, gibt es noch Unterschiede zu den Angeboten großer Betreiber. Die enercity-Tarife werden täglich um 13 Uhr für den Folgetag bekannt gegeben und garantieren eine Höchstgrenze von 67 Cent pro Kilowattstunde. Im Test lagen die Kosten bei 59 Cent pro Kilowattstunde, was noch über den Preisen von Discountern (29 bis 47 Cent) oder den Vertragstarifen von Anbietern wie EnBW (39 Cent mit monatlicher Grundgebühr) liegt.
Dennoch zeigt das Pilotprojekt, dass die technische Umsetzung funktioniert. Die Möglichkeit, spontan und ohne Bindung zu laden, ist für viele attraktiv. Besonders für Betreiber von Ladeparks an Supermärkten oder Baumärkten, die keine langfristigen Kundenbeziehungen aufbauen wollen, ist das Ad-hoc-Laden mit integrierten Bezahlsystemen interessant. Dies könnte zu einer stärkeren Konkurrenz im Lademarkt führen, der derzeit von wenigen großen Anbietern dominiert wird.
Zukunftsaussichten
Die dynamischen Tarife könnten das Ladeverhalten der Elektroautofahrer maßgeblich beeinflussen. Wenn die Preise zu bestimmten Zeiten deutlich sinken, könnte dies eine neue Form der „Tankstellensuche“ auslösen, bei der Fahrer gezielt nach den günstigsten Ladezeiten Ausschau halten. Dies würde nicht nur zu Kosteneinsparungen führen, sondern auch die Auslastung des Netzes optimieren und den Anteil erneuerbarer Energien am Lademix erhöhen.
Die Einführung von Ad-hoc-Zahlungen und dynamischen Preisen ist ein wichtiger Schritt, um die Ladeinfrastruktur in Deutschland flexibler und nutzerfreundlicher zu gestalten. Es zeigt, dass der Markt für Elektromobilität sich ständig weiterentwickelt und neue Lösungen für die Herausforderungen der Energiewende findet.





