Am 4. September führten US-Behörden, darunter die Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE), eine groß angelegte Razzia in der Batteriezellenfabrik von Hyundai Motor und LG Energy Solution in Ellabell, Georgia, durch. Diese Aktion führte zur Festnahme von 475 Personen und hat weitreichende Konsequenzen für die Produktion von Elektrofahrzeugen und Batteriespeichersystemen in den USA. Die Fabrik, ein Gemeinschaftsunternehmen namens HL-GA Battery Company, ist ein zentraler Bestandteil des 7,6 Milliarden US-Dollar teuren Hyundai Motor Group Metaplant America (HMGMA) Campus.
Wichtige Erkenntnisse
- Razzia durch ICE und weitere Behörden in der Hyundai/LG ES Batteriefabrik in Georgia.
- 475 Festnahmen, davon etwa 300 südkoreanische Staatsbürger.
- Erhebliche Verzögerungen bei der Produktion von Elektrofahrzeugen und Batteriespeichersystemen erwartet.
- Südkoreanische Regierung untersucht Vorwürfe der Menschenrechtsverletzungen.
- Unsicherheit über zukünftige Investitionen und die Lieferkette in den USA.
Hintergrund der Razzia und Festnahmen
Die Razzia erfolgte durch ein breites Spektrum von US-Bundesbehörden. Neben ICE waren auch Homeland Security Investigations, die Georgia State Patrol, das Federal Bureau of Investigation (FBI), das Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms, and Explosives (ATF), die Drug Enforcement Agency (DEA) und der Internal Revenue Service (IRS) beteiligt. Insgesamt waren etwa 500 Beamte im Einsatz.
Von den 475 festgenommenen Personen waren rund 300 südkoreanische Staatsbürger. Sie wurden in einem ICE-Haftzentrum in Folkston, Georgia, festgehalten. Die Umstände der Festnahmen und die Behandlung der Arbeiter haben zu einer Untersuchung durch das südkoreanische Außenministerium geführt, das Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen prüft.
Faktencheck
- Gesamtkosten des HMGMA-Campus: 7,6 Milliarden US-Dollar
- Fläche der Fabrik: Über 16 Millionen Quadratfuß
- Geplante Neueinstellungen bis 2031: 8.100 Arbeitsplätze
- Anzahl der festgenommenen Personen: 475
- Anteil südkoreanischer Staatsbürger unter den Festgenommenen: ca. 300
Auswirkungen auf die US-Batterie- und EV-Industrie
Die plötzliche Unterbrechung des Fabrikbetriebs könnte erhebliche Probleme für die Batterieenergie-Speichersysteme (BESS) und die Elektrofahrzeugindustrie (EV) in den USA verursachen. Ein anonymer Marktexperte äußerte sich dazu gegenüber ESN Premium:
„Kurzfristig sind die USA auf ausländisches Fachwissen angewiesen, um ihre Batterieindustrie zu entwickeln, auch wenn dies kein langfristiger Trend sein mag. US-Unternehmen, die versucht haben, in den Lithium-Ionen-Markt einzusteigen, hatten Schwierigkeiten, wettbewerbsfähig zu sein.“
Südkoreanische Batteriehersteller produzieren derzeit 45% aller in den USA verkauften Lithium-Ionen-Batterien. Der stationäre Speichermarkt des Landes wird in diesem Jahr voraussichtlich rund 50 GWh Batterien benötigen, mit einem prognostizierten Wachstum auf 200 GWh bis 2028.
Hintergrundinformationen
Der HMGMA-Campus ist das größte Wirtschaftsentwicklungsprojekt in der Geschichte Georgias. Es sollte bis 2031 8.100 Arbeitsplätze schaffen. 17 Zulieferer in der Umgebung kündigten ebenfalls Fabriken an, was zusätzliche Investitionen von schätzungsweise 2,7 Milliarden US-Dollar und weitere 7.000 Arbeitsplätze bedeutet hätte.
Verzögerungen und finanzielle Folgen
Jose Munoz, Präsident und CEO der Hyundai Motor Company, schätzt eine Verzögerung von mindestens zwei bis drei Monaten. Dies liegt daran, dass viele der benötigten Fachkräfte nun zögern, zurückzukehren, und es schwierig ist, diese Positionen mit qualifiziertem Personal in den USA zu besetzen. „Die meisten dieser Leute sind nicht in den USA“, so Munoz.
Ein Insider warnt vor den weitreichenden Folgen:
„Wenn diese südkoreanischen Fabriken um drei Jahre verzögert werden, könnte man nur 30 GWh verfügbare Kapazität haben, um die Nachfrage zu decken, was eine Lücke von 70% schaffen würde. Selbst bei einer kleinen Verzögerung von etwa einem Jahr geht die Lücke immer noch von etwa 25% auf 40% hoch, sodass selbst bei einer kleinen Verzögerung von etwa einem Jahr viel weniger Kapazität verfügbar ist, was zu Preiserhöhungen führen könnte. Dies könnte bedeuten, dass Projekte verzögert werden, und da das US-Stromnetz immer mehr Speicher benötigt, entsteht hier das große Problem.“
Politische und diplomatische Spannungen
Die Razzia hat auch diplomatische Spannungen zwischen den USA und Südkorea ausgelöst. Südkoreas konservative Tageszeitung Chosun Ilbo, traditionell ein Befürworter einer starken Allianz mit den Vereinigten Staaten, forderte ihre Regierung auf, die Ernsthaftigkeit der Situation zu erkennen. Sie drängte die Beamten, den Vereinigten Staaten mitzuteilen, dass die südkoreanische Öffentlichkeit nun in Frage stelle, ob sie weiterhin in Amerika investieren sollte.
Der ehemalige Präsident Donald Trump äußerte sich auf Truth Social und forderte alle ausländischen Unternehmen auf, die Einwanderungsgesetze der USA zu respektieren, betonte aber gleichzeitig, dass Investitionen willkommen seien und qualifizierte Fachkräfte legal ins Land gebracht werden könnten. Später im Oktober sprach sich Trump gegen die Razzia aus und betonte die Notwendigkeit, ausländische Expertise für komplexe Fabriken zuzulassen.
Südkoreas Rolle in der US-Energiewende
Südkoreanische Unternehmen spielen eine Schlüsselrolle bei der Bereitstellung von Batterien für die USA, insbesondere seit neuen Beschränkungen für chinesische Ausrüstung in US-Energiespeicherprojekten, die für Steuergutschriften in Frage kommen. Diese Beschränkungen sollen nicht-chinesischen Wettbewerbern zugutekommen.
LG Energy Solution, zum Beispiel, balanciert seine Produktionskapazitäten zwischen EV- und Energiespeichersegmenten. Im Juli kündigte das Joint Venture Ultium Cells (LG ES und General Motors) Pläne an, seine Batteriezellenfabrik in Spring Hill, Tennessee, auf die Produktion von Lithium-Eisenphosphat (LFP)-Zellen umzustellen. LG ES plant, bis Ende 2025 eine jährliche LFP-Produktionskapazität von 17 GWh zu erreichen und diese bis Ende des folgenden Jahres auf über 30 GWh zu steigern.
- SK On und L&F: Vereinbarung über die Lieferung von LFP-Kathodenmaterialien für den nordamerikanischen Markt.
- Samsung SDI: Einführung neuer BESS-Produkte (Battery Box 1.7 und SBB 2.0) mit geplanter US-Produktion ab nächstem Jahr.
Ein anonymer Experte erklärt die Attraktivität südkoreanischer Batterien:
„Inländische Batterien, die von südkoreanischen Unternehmen hergestellt werden, waren eine bessere Option, da sie keine FEOC-Probleme (Foreign Entity of Concern) darstellten. Da diese Batterien in den USA hergestellt werden, sind sie zwar etwas teurer, könnten aber im Rahmen des Programms für Steuergutschriften für fortgeschrittene Fertigung Anspruch auf Steuergutschriften haben. Es gibt keine Zölle auf die fertigen Batterien, nur auf Inputs wie Graphit oder Lithium, die aus China importiert werden. Diese Strategie bot eine bedeutende Lösung.“
Rechtliche Schritte und zukünftige Aussichten
Etwa 200 der während der Razzia festgenommenen Personen planen, ICE wegen Diskriminierung, Menschenrechtsverletzungen und übermäßiger Gewaltanwendung zu verklagen. Sie fordern Schadensersatz.
Trotz der Herausforderungen hat Hyundai angekündigt, die Expansionspläne für das Werk in Ellabell voranzutreiben und die ursprünglichen Pläne zur Produktion von 300.000 Elektrofahrzeugen pro Jahr auf 500.000 pro Jahr zu erhöhen. LG ES erklärte, dass es keine Pläne gibt, die Fabrikverzögerung zu ändern. Nach einer Einigung bei einem US-koreanischen Arbeitsgruppentreffen, dass B-1- und ESTA-Inhaber die Installation, Inspektion und Wartung von Geräten in den US-Fabriken durchführen dürfen, wurden die Dienstreisen wichtiger Mitarbeiter in die USA ab dem 13. Oktober wieder aufgenommen.
Die Situation bleibt komplex. Die Fähigkeit südkoreanischer Unternehmen, weiterhin in den USA zu investieren und qualifizierte Arbeitskräfte zu entsenden, ohne Angst vor erneuten Razzien, ist entscheidend für die zukünftige Entwicklung der Batterie- und EV-Industrie in den Vereinigten Staaten.





