Die Kennzeichnung der Haltungsform bei tierischen Produkten in Deutschland erfährt eine grundlegende Überarbeitung. Seit Sommer 2024 findet eine schrittweise Umstellung von einem vierstufigen auf ein fünfstufiges System statt. Diese Änderung soll Verbrauchern eine noch detailliertere Orientierung beim Einkauf von Fleisch und Milchprodukten ermöglichen, doch die Einführung bringt auch Herausforderungen mit sich.
Wichtige Punkte
- Die Haltungsform-Kennzeichnung ist ein freiwilliges Label des Handels.
- Sie wird von 4 auf 5 Stufen umgestellt, beide Systeme sind derzeit im Umlauf.
- Erst ab Stufe 3 sind deutlich verbesserte Tierhaltungsbedingungen gegeben.
- Die staatliche Tierhaltungskennzeichnung für Schweinefleisch ist auf 2026 verschoben.
- Weder die Haltungsform noch das staatliche Zeichen sind reine Tierwohl-Label.
Einheitliche Kennzeichnung als Reaktion auf Verbraucherwunsch
Verbraucher legen zunehmend Wert auf die Bedingungen, unter denen Nutztiere gehalten werden. Diesem Wunsch begegnet der Handel seit Jahren mit verschiedenen Labeln und Marken. Im April 2019 einigten sich führende Händler auf die Einführung der Haltungsform-Kennzeichnung. Dieses System sollte mehr Transparenz schaffen und den Einkauf erleichtern.
Ursprünglich konzentrierte sich das Label auf Fleisch von Schweinen, Rindern, Hühnern und Puten in Selbstbedienungstheken. Seit 2021 deckt es auch Kaninchenfleisch, Peking-Enten sowie Milch und Milchprodukte ab. Zunehmend ist die Kennzeichnung auch bei Wurst und losem Fleisch an Bedientheken zu finden. Es ist wichtig zu beachten, dass die Systematik der Haltungsform-Kennzeichnung umgekehrt zur Eierkennzeichnung ist: Stufe 1 steht für den gesetzlichen Mindeststandard, während höhere Stufen verbesserte Bedingungen signalisieren.
Wussten Sie schon?
Die Haltungsform-Kennzeichnung ist spiegelverkehrt zur Eierkennzeichnung aufgebaut. Während bei Eiern die 1 für Freilandhaltung steht, bedeutet Haltungsform 1 den gesetzlichen Mindeststandard.
Die Stufen der Haltungsform-Kennzeichnung
Die Kennzeichnung informiert über die jeweiligen Standards. Die ursprünglichen vier Stufen boten folgende Orientierung:
- Haltungsform 1 „Stallhaltung“: Dies entspricht dem gesetzlichen Mindeststandard für Schweine, Hähnchen und Kaninchen. Bei Puten, Rindern, Enten sowie Milch und Milchprodukten zeigt Stufe 1 die branchenübliche Haltung an, da hierfür keine spezifischen gesetzlichen Vorschriften existieren. Bei Rindern ist ganzjährige Stallhaltung, inklusive Anbindehaltung, möglich. Die Betriebe müssen an einem Qualitätssicherungsprogramm wie dem Prüfsystem „QS“ teilnehmen.
- Haltungsform 2 „StallhaltungPlus“: Die Tiere erhalten hier etwas mehr Platz im Stall, beispielsweise Schweine 10 Prozent mehr. Auch zusätzliches Beschäftigungsmaterial ist vorgesehen. Entenställe müssen ab dieser Stufe Tageslicht haben, und Anbindehaltung ist bei Fleischrindern und Milchkühen nicht mehr ganzjährig erlaubt.
- Haltungsform 3 „Außenklima“: Diese Stufe bedeutet, dass die Tiere Kontakt zum Außenklima haben, etwa durch eine offene Stallseite oder einen überdachten Außenbereich. Der Platz im Stall ist weiter erhöht, bei Schweinen um 40 Prozent. Die Anbindehaltung von Rindern ist ab dieser Stufe vollständig verboten.
- Haltungsform 4 „Premium“: Tiere in dieser Kategorie haben tatsächlichen Auslauf im Freien und den größten Platz im Stall, bei Schweinen sogar 100 Prozent mehr als im Mindeststandard. Das Futter ist gentechnikfrei. Diese Stufe umfasste sowohl Biofleisch als auch konventionell erzeugtes Fleisch.
„Nach Auffassung der Verbraucherzentralen stehen einzig die Haltungsformen 3 und 4 sowie die neue Haltungsform 5 für eine deutlich verbesserte Tierhaltung.“
Die Umstellung auf fünf Stufen
Seit Mitte 2024 werden Produkte mit einem neuen, fünfstufigen Haltungsform-Label in den Regalen sichtbar. Diese Umstellung erfolgt schrittweise, da zunächst noch vorhandenes Verpackungsmaterial mit dem vierstufigen Label aufgebraucht wird. Anlass der Neuerung ist das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz der Bundesregierung von 2023.
Die fünf neuen Stufen orientieren sich an den gesetzlich vorgesehenen Kategorien: „Stall“, „Stall + Platz“, „Frischluftstall“, „Auslauf/Weide“ und „Bio“. Die wesentliche Neuerung ist die Aufteilung der bisherigen „Haltungsform 4 Premium“. Sie teilt sich nun in:
- Haltungsform 4 „Auslauf/Weide“ für konventionell erzeugte Produkte.
- Haltungsform 5 „Bio“ für ökologisch erzeugte Produkte.
Die inhaltlichen Anforderungen für Schweinefleisch wurden an das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz angepasst, was jedoch nur geringfügige Änderungen mit sich brachte. Für Verbraucher ist es wichtig, die Unterschiede zwischen den alten und neuen Labels zu kennen, solange beide Systeme im Handel präsent sind.
Hintergrund: Tierhaltungskennzeichnungsgesetz
Das 2023 verabschiedete Tierhaltungskennzeichnungsgesetz sah ursprünglich eine verpflichtende staatliche Kennzeichnung für frisches Schweinefleisch ab August 2025 vor. Die Umsetzung wurde jedoch auf März 2026 verschoben, um das System praxistauglich zu gestalten. Massive Kritik aus Politik und Wirtschaft lässt den genauen Starttermin weiterhin ungewiss erscheinen.
Das Angebot muss sich anpassen
Trotz der Kennzeichnung stammt das Gros der angebotenen tierischen Produkte weiterhin aus den Haltungsformen 1 und 2. Das Angebot in den höheren Stufen ist deutlich geringer. Eine positive Entwicklung zeigt sich jedoch bei Rind- und Putenfleisch sowie Trinkmilch aus Haltungsform 3, deren Verfügbarkeit zunimmt.
Die Verbraucherzentralen fordern die Lebensmittelwirtschaft auf, das Angebot in den Haltungsform-Stufen 3, 4 und 5 signifikant auszuweiten. Dies betrifft nicht nur frisches Fleisch und Milch, sondern auch verarbeitete Produkte wie Wurst, Joghurt und Käse. Nur so kann den Verbrauchern eine echte Wahlfreiheit geboten werden.
Freiwillige und staatliche Kennzeichnung sind keine Tierwohl-Label
Es ist entscheidend zu verstehen, dass weder die freiwillige Haltungsform-Kennzeichnung des Handels noch die geplante staatliche Kennzeichnung reine Tierwohl-Label sind. Sie schaffen Transparenz über die Haltungsbedingungen, garantieren aber nicht automatisch ein hohes Maß an Tierwohl. Mehr Platz oder Beschäftigungsmaterial sind zwar positive Schritte, aber nicht die einzigen Faktoren für das Wohlbefinden der Tiere.
Für eine verlässliche Aussage zum Tierwohl müssten verhaltens- und gesundheitsbezogene Kriterien systematisch erfasst und bewertet werden. Dazu gehören Aspekte wie Lahmheit, Verletzungen oder Organbefunde, die sowohl in den Betrieben als auch am Schlachthof erhoben werden sollten. Solche tierbezogenen Kriterien werden bei der staatlichen Kennzeichnung nicht und bei der Haltungsform-Kennzeichnung nur unzureichend berücksichtigt.
Der Unterschied zu echten Tierschutz- und Tierwohl-Siegeln
Der Begriff „Tierwohl“ ist gesetzlich nicht klar definiert, was zu unterschiedlichen Interpretationen führt. Fachkreise sind sich einig, dass Tierwohl Gesundheit, natürliche Verhaltensweisen und einen guten emotionalen Zustand umfasst.
Das Tierschutzlabel „FÜR MEHR TIERSCHUTZ“
Das Label des Deutschen Tierschutzbunds geht über die reine Haltung hinaus. Es berücksichtigt auch Tiertransport und Schlachtung. Besonders wichtig sind die tierbezogenen Kriterien, die bereits bei lebenden Tieren im Betrieb erhoben werden, nicht erst am Schlachthof. Hierzu zählen die Überprüfung der Lauffähigkeit von Masthühnern und Rindern sowie die Kontrolle von Schwänzen bei Schweinen und Rindern oder des Gefiederzustands bei Legehennen. Die Verbraucherzentralen bewerten dieses Label als wichtigen Beitrag zu mehr Tierwohl.
Das Tierwohl-Siegel der Initiative Tierwohl
Die Initiative Tierwohl ist ein Zusammenschluss aus Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Lebensmittelhandel. Ihr Ziel ist es, das Tierwohl für möglichst viele Tiere in vielen Betrieben zu verbessern. Um eine breite Teilnahme zu ermöglichen, sind die Anforderungen des Programms nicht besonders hoch. Die Verbesserungen gegenüber den gesetzlichen Mindestanforderungen sind gering, und die Produkte werden meist mit der Haltungsform 2 gekennzeichnet.
Die Verbraucherzentralen erkennen zwar den Ansatz an, durch niedrigere Anforderungen eine breite Basis zu schaffen. Sie sind jedoch der Meinung, dass die geringen Verbesserungen es nicht rechtfertigen, von einem „Tierwohl-Siegel“ zu sprechen.
Forderungen der Verbraucherzentralen
Die Verbraucherzentralen formulieren klare Forderungen für die Zukunft der Tierhaltungskennzeichnung und des Tierschutzes:
- Ausweitung des Angebots: Die Lebensmittelbranche muss das Angebot von Produkten in den Haltungsform-Stufen 3 bis 5 deutlich erhöhen.
- Zügige Umsetzung der staatlichen Kennzeichnung: Die Bundesregierung soll die staatliche Kennzeichnung schnell einführen, auf weitere Tierarten, Gastronomie und verarbeitete Produkte ausweiten.
- Anhebung der gesetzlichen Standards: Die gesetzlichen Tierhaltungsstandards müssen angehoben und ein obligatorisches nationales Tierwohl-Monitoring eingeführt werden. Kontrollen und Sanktionen bei Verstößen sollen verschärft werden.
- EU-weite Kennzeichnung: Die Bundesregierung soll sich auf EU-Ebene für eine verbindliche europäische Kennzeichnung einsetzen, die Transparenz für alle Produkte, unabhängig von Herkunft, schafft.





