Patienten in Deutschland sehen sich oft mit unerwarteten Gebühren beim Augenarzt konfrontiert, besonders wenn es um die Messung der Sehstärke oder die Aushändigung von Dioptrienwerten geht. Trotz klarer gesetzlicher Regelungen, die diese Leistungen als Kassenleistung definieren, verlangen viele Praxen dafür Geld.
Wichtige Erkenntnisse
- Die ärztliche Augenuntersuchung und Sehstärkenmessung sind Kassenleistungen.
- Die Aushändigung des Refraktionsprotokolls ist ebenfalls kostenlos.
- Jede dritte Praxis verlangt unberechtigt eine Gebühr für die Aushändigung der Werte.
- Patienten können sich bei unrechtmäßigen Forderungen wehren.
Kassenleistungen und die Realität in den Praxen
Seit 2004 übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Brillen und Kontaktlinsen in den meisten Fällen nicht mehr. Dies führt oft zu dem Missverständnis, dass auch die dazugehörigen augenärztlichen Untersuchungen privat bezahlt werden müssen. Dies ist jedoch falsch.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat bereits klargestellt: Die ärztliche Untersuchung, die Verordnung von Brillengläsern und die Bestimmung der Sehstärke (Refraktionsbestimmung) sind weiterhin Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Das gilt auch dann, wenn die Brille selbst nicht von der Kasse bezahlt wird.
Faktencheck
Die Kosten für die ärztliche Augenuntersuchung und die Sehstärkenmessung sind für gesetzlich Versicherte eine Kassenleistung. Dies beinhaltet auch die schriftliche Aushändigung der Dioptrienwerte.
Verbraucherzentralen decken Missstände auf
Beschwerden von Patienten auf Portalen wie igel-ärger.de der Verbraucherzentralen zeigen, dass diese Regelung in vielen Augenarztpraxen ignoriert wird. Um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen, haben die Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen, Berlin und Rheinland-Pfalz eine Untersuchung durchgeführt.
Dabei wurden 209 Augenarztpraxen in Düsseldorf, Berlin und Mainz befragt, wie sie notwendige Sehstärken-Untersuchungen abrechnen und welche Zusatzkosten sie begründen. Die Ergebnisse sind aufschlussreich und alarmierend zugleich.
Untersuchungsergebnisse: Jede dritte Praxis fordert Zusatzgebühren
Die Erhebung ergab, dass ein erheblicher Teil der Praxen Zusatzgebühren verlangt. 18 Praxen boten die erforderliche Sehstärken-Untersuchung und die Aushändigung der Messwerte als Gesamtpaket für durchschnittlich 15 Euro an. Fünf Praxen rechneten die eigentliche Kassenleistung sogar komplett privat ab, im Schnitt für rund 17 Euro.
Das größte Problem liegt jedoch darin, dass jede dritte Arztpraxis zusätzlich zum Kassenstandard eine Gebühr für die Aushändigung der Dioptrienwerte verlangt. Diese Gebühr beträgt in der Regel 10 Euro.
„Die meisten Praxen begründen die Zusatzkosten damit, dass die Weitergabe des Sehstärkenprotokolls keine Kassenleistung sei. Das stimmt nicht.“
Das Sehstärkenprotokoll ist lediglich die schriftliche Festhaltung des ärztlichen Befundes. Es ist Teil der Patientenakte. Patienten haben das Recht, ihre Befunde einzusehen und eine Kopie der Untersuchungsergebnisse ohne hohe Zusatzkosten zu erhalten.
Hintergrundinformationen
Die Uneinheitlichkeit der Regelungen – dass Brillengläser und Kontaktlinsen meist nicht von den Kassen bezahlt werden, im Gegensatz zu einer begründeten Untersuchung und Messung der Sehstärke – führt bei Patienten zu Verunsicherung. Dies schafft einen Spielraum für unkorrektes Abrechnen durch die Augenärzte.
Forderungen der Verbraucherzentralen und Patientenrechte
Die Verbraucherzentrale NRW fordert die kassenärztlichen Landesvereinigungen auf, dieser Fehlentwicklung entgegenzuwirken. Sie sollen die Augenärzte nachdrücklich auf ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Kassenpatienten hinweisen und bei Verfehlungen Sanktionen verhängen.
Auch die Krankenkassen sind in der Pflicht. Sie sollten ihre Mitglieder besser über ihr Leistungsspektrum bei Augenuntersuchungen informieren, um Kostenfallen zu vermeiden. Patienten müssen wissen, welche Leistungen sie von ihrem Augenarzt erwarten können, ohne dafür extra zahlen zu müssen.
Was tun bei unrechtmäßigen Gebühren?
- Beschwerde einlegen: Patienten, denen zu Unrecht eine Untersuchung oder das Sehstärkenprotokoll in Rechnung gestellt wurde, sollten sich direkt bei ihrem Arzt beschweren und das Geld zurückfordern.
- Kassenärztliche Vereinigung kontaktieren: Führt die Beschwerde beim Arzt nicht zum Erfolg, können sich Betroffene an die zuständige kassenärztliche Vereinigung wenden.
- Verbraucherzentrale nutzen: Eine weitere Anlaufstelle ist das Beschwerdeportal igel-ärger.de der Verbraucherzentralen.
Ausnahmeregelungen für Brillengläser
Es gibt seit März 2017 eine Ausnahmeregelung für den Leistungsanspruch auf Brillengläser. Unter bestimmten Voraussetzungen werden Brillen wieder von der Kasse bezahlt. Wer beispielsweise mit mehr als sechs Dioptrien kurz- oder weitsichtig ist, erhält seine Sehhilfe wieder auf Rezept. Bei Menschen mit einer Hornhautverkrümmung ist dies ab mehr als vier Dioptrien der Fall.
Für die Kostenübernahme ist stets eine augenärztliche Verordnung notwendig. Diese Regelung zeigt, dass es wichtig ist, die genauen Umstände zu kennen und sich bei Bedarf zu informieren.
Die ermittelten Werte einer augenärztlichen Untersuchung reichen nicht automatisch für eine optimale Korrektur durch Brillengläser aus, um eine 100-prozentige Sehfähigkeit zu erreichen. Eine präzisere Brillenglasbestimmung kann kostenpflichtig beim Augenarzt erfolgen.
Oft ist es jedoch günstiger, diese Bestimmung bei Optikern durchführen zu lassen. Optiker stellen diese Leistung in der Regel nicht zusätzlich in Rechnung, wenn eine Brille bei ihnen gekauft wird. Dies bietet eine gute Alternative für Patienten, die Kosten sparen möchten.





