Die globalen Finanzmärkte befinden sich in einer Phase erhöhter Unsicherheit, geprägt von der Euphorie um künstliche Intelligenz (KI), drohenden Handelskonflikten und der Gefahr einer Deregulierung. Zentralbanker warnen vor den Risiken und fordern stärkere internationale Zusammenarbeit, um die Stabilität zu sichern.
Wichtige Erkenntnisse
- Die Euphorie um KI birgt ein Konzentrationsrisiko an den Börsen.
- Handelskonflikte, wie die US-Zollankündigungen, könnten Finanzkrisen auslösen.
- Europa hat seine Bankenregulierung nach 2008 gestärkt, die USA drohen mit Deregulierung.
- Private Kreditfonds wachsen unreguliert und stellen ein Risiko dar.
- Deutschland muss die Wettbewerbsfähigkeit stärken und Bürokratie abbauen.
- Der digitale Euro soll die europäische Souveränität im Zahlungsverkehr sichern.
KI-Euphorie und die Risiken am Aktienmarkt
Die Begeisterung für künstliche Intelligenz treibt die Kurse großer Technologieunternehmen in die Höhe. Doch diese Entwicklung birgt auch Gefahren. Es besteht ein Konzentrationsrisiko, da sich die Euphorie auf wenige Firmen konzentriert.
Joachim Nagel, ein führender Zentralbanker, weist darauf hin, dass KI eine disruptive Technologie ist. Es bleibt jedoch unklar, welche Unternehmen langfristig am meisten davon profitieren werden und wie hoch die Gewinne tatsächlich ausfallen. Anleger sollten ihre Portfolios breit streuen, um mögliche Verluste abzufedern.
Faktencheck KI-Aktien
- KI ist eine disruptive Technologie.
- Die Euphorie konzentriert sich auf wenige große Tech-Firmen.
- Bewertungen können auch fallen, warnen Experten.
Die Lehren aus der Vergangenheit
Hohe Kurse spiegeln oft die Erwartung dauerhaft hoher oder weiter steigender Gewinne wider. Die Geschichte zeigt, dass solche Erwartungen nicht immer erfüllt werden. Zentralbanken beobachten diese Entwicklungen sehr genau, um mögliche Blasenbildungen frühzeitig zu erkennen.
Handelskonflikte und die globale Finanzstabilität
Die Ankündigungen drastischer Zölle, wie sie die US-Regierung am 2. April, dem sogenannten „Liberation Day“, vorgenommen hat, brachten die Finanzmärkte an den Rand einer massiven Krise. Die Anleger zweifelten an der Sicherheit von US-Vermögenswerten.
Die schnelle Erholung der Aktienmärkte überraschte viele. Sie ist auf die Erwartung zurückzuführen, dass die Zollkonflikte beigelegt werden. Zudem gibt es viel Liquidität im Markt, und viele Investoren sehen weiterhin hohes Renditepotenzial, besonders in den US-Aktienmärkten, und sind bereit, dafür Risiken einzugehen.
„Nach dem ‚Liberation Day‘ waren wir nicht weit weg von einer massiven Krise an den Finanzmärkten. Vor allem, weil die Anleger die Sicherheit von US-Vermögenswerten anzweifelten.“
Europa und die Bankenregulierung
Europa hat aus der Finanzkrise von 2008 gelernt und die Regeln für Banken verschärft. Dies hat sich 2023 gezeigt, als der Zusammenbruch der Credit Suisse und die Turbulenzen bei US-Regionalbanken nicht zu einer breiteren Krise führten. Das Ziel ist es, Steuerzahler vor erneuten Rettungsaktionen zu schützen.
Hintergrund: Finanzkrise 2008
Die globale Finanzkrise von 2008 wurde durch den Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes ausgelöst. Sie führte zu einem weltweiten Wirtschaftsabschwung und erforderte umfangreiche staatliche Rettungspakete für Banken. Als Reaktion darauf wurden international strengere Regulierungen für Finanzinstitute eingeführt, um eine Wiederholung zu verhindern.
Die US-Regierung plant hingegen, die Finanzaufsicht und Regulierung drastisch zurückzufahren. Dies könnte zu einem „Wettlauf nach unten“ führen, bei dem Finanzinstitute in Länder mit laxeren Regeln abwandern. Experten warnen, dass ein solcher Deregulierungswettlauf die Gefahr eines erneuten Crashs birgt.
Schattenbanken und ihre Risiken
Ein wachsendes Segment, das Sorgen bereitet, sind private Kreditfonds. Ihr Volumen wird auf über 1,7 Billionen Dollar geschätzt. Diese Fonds leihen sich Geld bei Pensionskassen, Versicherungen und anderen institutionellen Anlegern, um es direkt an Unternehmen zu verleihen, oft abseits der traditionellen Banken.
Viele dieser Fonds sind in Steueroasen ansässig, unreguliert und intransparent. Dieser undurchsichtige Markt hat das Potenzial, die Finanzmärkte zu destabilisieren. Eine bessere internationale Datenbasis ist notwendig, um die Risiken zu identifizieren und zu überwachen.
Private Kreditfonds im Fokus
- Geschätztes Volumen: über 1,7 Billionen Dollar.
- Oft unreguliert und intransparent.
- Potenzielles Risiko für Finanzstabilität.
Deutschlands wirtschaftliche Lage und Zukunftsaussichten
Die deutsche Wirtschaft stagniert derzeit. Die Bundesregierung hat mit einem kreditfinanzierten Fiskalpaket für Rüstung und Infrastruktur ambitionierte Ziele gesetzt. Es bedarf jedoch Zeit, bis diese Maßnahmen greifen.
Die Ungeduld in der Wirtschaft wächst. Trotz vieler Reformvorschläge sind Modernisierung, Digitalisierung und Bürokratieabbau langwierige Prozesse. Ein Kraftakt von Wirtschaft und öffentlicher Hand ist notwendig, um Deutschland wettbewerbsfähiger zu machen.
Ab 2026 wird erwartet, dass das Fiskalpaket die Konjunktur ankurbelt, mit einem prognostizierten Wachstum von 0,7 Prozent. Für 2027 wird sogar ein Wachstum von über 1,0 Prozent erwartet. Die Regierung arbeitet daran, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu verbessern.
Herausforderungen für deutsche Exporteure
Deutsche Unternehmen sehen sich mit mehreren Herausforderungen konfrontiert. Neben den Zöllen belastet der deutlich schwächere US-Dollar, also ein stärkerer Euro, die Exporte in die USA. Der Dollarkurs liegt derzeit bei rund 1,15 Euro, was nahe am historischen Mittelwert liegt.
Das traditionelle deutsche Geschäftsmodell, das auf billiger Energie aus Russland, militärischem Schutz aus Amerika und China als Absatzmarkt basierte, ist in seinen Grundfesten erschüttert. Deutschland muss seine Anpassungsfähigkeit unter Beweis stellen und seine Interessen energischer vertreten.
Reform der Schuldenbremse und Verteidigungsausgaben
Eine weitere Reform der Schuldenbremse wird als notwendig erachtet, um sowohl solide Staatsfinanzen als auch die EU-Regeln zu sichern. Ein Vorschlag sieht vor, die aktuellen Kreditgrenzen zunächst beizubehalten, um Herausforderungen zu bewältigen.
Ab 2030 sollen die Defizite schrittweise zurückgeführt werden. Ziel ist eine reformierte Regel, die Investitionen begünstigt und Leitplanken setzt, damit die Staatsschulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) wieder in Richtung 60 Prozent sinken. Dieser Prozess könnte Jahrzehnte dauern.
Die Ausnahme der Rüstungsausgaben von jährlich gut 200 Milliarden Euro aus der Schuldenbremse soll nach dem Vorschlag ab 2030 sukzessive zurückgenommen und 2036 auslaufen. Danach müssten die Verteidigungsausgaben wieder über den regulären Haushalt finanziert werden.
Der Digitale Euro: Souveränität und Datenschutz
Die Europäische Zentralbank (EZB) treibt die Pläne für einen digitalen Euro voran, der ab 2029 im Supermarkt nutzbar sein könnte. Kritiker äußern Zweifel am Nutzen, doch die Befürworter sehen darin eine Chance für mehr Unabhängigkeit von US-Zahlungsverkehrsdienstleistern und besseren Datenschutz.
Der digitale Euro soll als Zentralbankgeld den Zwilling zum Bargeld darstellen. Er bietet mehr Datenschutz als private digitale Zahlungsmittel, da keine Daten für kommerzielle Zwecke genutzt werden. Die Notenbanken würden die notwendige Infrastruktur bereitstellen, während Geschäftsbanken den digitalen Euro ausgeben und Gebühren von Händlern erhalten.
„Europa hat jetzt die Chance, unabhängiger zu werden. Sollte uns jemand beim Zahlungsverkehr den Stecker ziehen, dann würde uns vorgeworfen, dass wir nichts gemacht haben.“
Ein wichtiger Aspekt ist die europäische Souveränität. Im Falle einer Störung des Zahlungsverkehrs, beispielsweise durch externe Akteure, wäre Europa gewappnet. Die Alternative, eine Dominanz von US-Dollar-unterlegten Stablecoins, birgt Risiken für die Finanzstabilität, da private Emittenten in Krisenzeiten hektisch Staatsanleihen verkaufen müssten.
Die Bedeutung der Zentralbankunabhängigkeit
Die Unabhängigkeit der Zentralbanken ist ein Eckpfeiler der wirtschaftlichen Stabilität. Bestrebungen, die Zentralbanken zu politisieren oder gar abzuschaffen, wie sie in den USA diskutiert werden, sind besorgniserregend. Eine unabhängige Notenbank ist entscheidend, um die Inflation unter Kontrolle zu halten.
Zentralbanken müssen über ihr primäres Mandat der Inflationskontrolle hinausblicken und mittelbare Auswirkungen auf Preis- und Finanzstabilität berücksichtigen. Dazu gehören Themen wie die Alterung der Gesellschaft, qualifizierte Zuwanderung, Klimawandel und die Finanzierung von Verteidigungsausgaben. Die Betonung von Marktwirtschaft und Demokratie ist in Zeiten des Populismus besonders wichtig.
Zukunft der Bundesbank-Zentrale
Die Sanierung der Bundesbank-Zentrale, die vom Rechnungshof kritisiert wurde, wird in einem deutlich verkleinerten Umfang fortgesetzt. Die Entscheidung über den Wiedereinzug in das markante Gebäude wird der Vorstand im ersten Quartal 2026 treffen, wobei Wirtschaftlichkeit und Sicherheit im Vordergrund stehen.





