Bio-Kunststoffe werden oft als umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Kunststoffen beworben. Doch die Realität ist komplexer: Der Begriff ist nicht klar definiert, und ihre Nachhaltigkeit hängt stark von der spezifischen Art des Materials und der Entsorgung ab. Verbraucherzentralen fordern mehr Transparenz, um Mythen rund um diese Materialien aufzuklären.
Wichtige Erkenntnisse
- Der Begriff „Bio-Kunststoff“ ist nicht gesetzlich definiert und kann biobasierte oder biologisch abbaubare Materialien umfassen.
- Nicht alle biobasierten Kunststoffe sind biologisch abbaubar, und nicht alle biologisch abbaubaren Materialien stammen aus nachwachsenden Rohstoffen.
- Die Nachhaltigkeit von Bio-Kunststoffen ist nur im Einzelfall durch Ökobilanzen zu bewerten.
- Bio-Kunststofftüten gehören in der Regel nicht in den Biomüll, da sie die Kompostierung stören.
- Ein Marktcheck zeigte, dass die Materialzusammensetzung von „Bio-Kunststoff“-Küchenutensilien oft unklar ist.
Was sind Bio-Kunststoffe wirklich?
Der Begriff „Bio-Kunststoff“ ist im deutschen Recht nicht eindeutig festgelegt. Er wird jedoch im Allgemeinen für zwei Hauptkategorien von Materialien verwendet. Erstens sind dies biobasierte Kunststoffe, die aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais, Holz oder Zuckerrohr hergestellt werden. Zweitens fallen darunter Kunststoffe, die als biologisch abbaubar gelten. Dies bedeutet, dass sie unter bestimmten industriellen Bedingungen kompostierbar sind.
Es ist wichtig zu verstehen, dass diese beiden Eigenschaften nicht zwangsläufig zusammengehören. Ein Kunststoff, der aus pflanzlichen Rohstoffen gewonnen wird, muss nicht automatisch biologisch abbaubar sein. Umgekehrt können biologisch abbaubare Verpackungen auch aus fossilen Quellen stammen, obwohl dies seltener der Fall ist. Diese Nuancen sind entscheidend, um die tatsächliche Umweltfreundlichkeit eines Produkts beurteilen zu können.
Faktencheck Bio-Kunststoffe
- Biobasiert: Hergestellt aus nachwachsenden Rohstoffen.
- Biologisch abbaubar: Zersetzt sich unter bestimmten Bedingungen (oft industriell).
- Wichtig: Biobasiert bedeutet nicht automatisch biologisch abbaubar!
Bio-Kunststoffe im Lebensmittelbereich
Im Lebensmittelmarkt finden Bio-Kunststoffe vielfältige Anwendungen. Einweg-Getränkebecher aus Polylactid (PLA), das auf Milchsäure basiert, sind ein bekanntes Beispiel. Auch kompostierbare Tüten und Folien für Obst, Gemüse und Backwaren werden häufig aus diesen Materialien hergestellt. Geschirr und Küchenutensilien, die Weizenstroh oder Zuckerrohr enthalten, sind ebenfalls auf dem Vormarsch.
Einige Hersteller nutzen biobasierte Kunststoffe, um die Haltbarkeit von Lebensmitteln zu verbessern. Die Wasserdampfdurchlässigkeit dieser Materialien kann dazu beitragen, dass frische Produkte länger haltbar bleiben. Dies bietet einen praktischen Vorteil für Verbraucher und Handel. Dennoch bleibt die Frage der Nachhaltigkeit im Fokus.
„Die Industrie setzt Bio-Kunststoffe oft für Marketingzwecke ein, um ein umweltfreundliches Image zu schaffen. Doch Verbraucher sollten genau hinschauen.“
Beispiel: Die PlantBottle
Ein internationaler Getränkekonzern verwendet beispielsweise eine sogenannte PlantBottle. Diese Flasche besteht anteilig aus recyceltem Material und pflanzlichen Rohstoffen. Sie ist jedoch nicht biologisch abbaubar, kann aber recycelt werden. Dieses Beispiel zeigt, dass der Begriff „Bio“ nicht immer gleichbedeutend mit Kompostierbarkeit oder vollständiger Umweltfreundlichkeit ist.
Sind Bio-Kunststoffe wirklich nachhaltiger?
Die Annahme, dass Bio-Kunststoffe generell umweltschonender sind als herkömmliche Kunststoffe, lässt sich nicht pauschal bestätigen. Eine umfassende Bewertung erfordert eine detaillierte Ökobilanz für jeden Einzelfall. Nur so lassen sich alle Aspekte von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung berücksichtigen.
Die Produktion von fossilbasierten Kunststoffen verursacht in der Regel höhere CO2-Emissionen. Biobasierte Kunststoffe hingegen benötigen oft große Flächen für den Anbau der Rohstoffe. Dieser Flächenbedarf kann in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen und den ökologischen Fußabdruck erhöhen. Auch der Einsatz von Pestiziden in Monokulturen für die Rohstoffgewinnung ist ein kritischer Punkt.
Hintergrund: Ökobilanzen
Ökobilanzen sind wissenschaftliche Methoden zur Bewertung der Umweltauswirkungen eines Produkts über seinen gesamten Lebenszyklus. Sie berücksichtigen unter anderem Energieverbrauch, Ressourcenverbrauch, Emissionen und Abfallaufkommen. Nur durch solche Analysen kann die tatsächliche Nachhaltigkeit eines Materials ermittelt werden.
Einige biobasierte Kunststoffe mit gleicher chemischer Struktur wie fossilbasierte Kunststoffe können bereits heute gut recycelt werden. Andere, die zwar biobasiert, aber nicht abbaubar sind, landen oft in der energetischen Verwertung, also in der Müllverbrennung. Biologisch abbaubare Kunststoffe wiederum zerfallen unter optimalen Bedingungen bestenfalls zu CO2 und Wasser, bilden aber keinen wertvollen Humus. Sie tragen somit nicht direkt zur Bodenverbesserung bei.
Richtige Entsorgung von Bio-Kunststoffen
Die Entsorgung von Bio-Kunststoffen stellt eine große Herausforderung dar. Biobasierte Kunststofftüten gehören in der Regel nicht in die Biomülltonne oder auf den Heimkompost. Sie werden dort oft nur unvollständig abgebaut, stören die industriellen Kompostierungsprozesse und verunreinigen den entstehenden Kompost. Dies führt zudem zu höheren Kosten in den Entsorgungsanlagen.
Nur speziell zugelassene und zertifizierte biologisch abbaubare Beutel, wie zum Beispiel Semmelbeutel, dürfen in die Bioabfallsammlung. Diese sind am flächendeckend aufgedruckten Keimlingssymbol erkennbar, wie das Umweltbundesamt informiert. Es ist ratsam, sich bei den lokalen Abfallwirtschaftsbetrieben über die spezifischen Entsorgungsvorschriften zu informieren.
- Regel: Die meisten Bio-Kunststoffe gehören in den Restmüll.
- Ausnahme: Nur zertifizierte, mit Keimlingssymbol gekennzeichnete Beutel dürfen in den Biomüll.
- Tipp: Informieren Sie sich bei Ihrem lokalen Entsorger.
Nachteile und fehlende Transparenz
Neben dem Flächenbedarf für die Rohstoffproduktion, der mit der Nahrungsmittelproduktion konkurrieren kann, gibt es weitere Nachteile. Bei der Herstellung von Bio-Kunststoffen werden, ebenso wie bei herkömmlichen Kunststoffen, zahlreiche Zusatzstoffe beigemischt, um bestimmte Eigenschaften zu erzielen. Diese chemischen Zusätze oder ihre Abbauprodukte können von der Verpackung in Lebensmittel übergehen, ein Prozess, der als Migration bezeichnet wird.
Die gesundheitlichen Auswirkungen dieser Migration sind derzeit nicht zuverlässig beurteilbar. Ein bundesweiter Marktcheck der Verbraucherzentralen im Jahr 2024 zeigte zudem, dass die Materialzusammensetzung von Küchenutensilien aus „Biokunststoff“ oft unklar ist. Klare Informationen zu Material und sicherer Verwendung fehlten häufig.
Die Verbraucherzentralen fordern daher eine gesetzliche Definition des Begriffs „Biokunststoff“. Diese Definition sollte nicht nur Klarheit schaffen, sondern auch angeben, ob das Material aus fossilen oder nachwachsenden Quellen stammt. Letztendlich sollten Bio-Kunststoffe nicht zu einem sorglosen Umgang mit Verpackungsmüll verleiten. Die Verwendung von Mehrwegprodukten und der Verzicht auf unnötig verpackte Lebensmittel bleiben die umweltfreundlichere und nachhaltigere Alternative.





